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Zur Skulptur von Jakob Probst: Diese
Frau mit der Maske (IV) auf der Brust stammt von Jakob
Probst. Als
"probstisch" erkennt man die Größe, das Material, die
Art der Stein- Bearbeitung (Oberfläche), die
Ähnlichkeit des Gesichts der Dame mit dem der Liegenden vor dem
Bernoullianum, die
Ähnlichkeit der Armhaltung zum Schwörenden
im Park des Schlosses Ebenrain
in Sissach - wie auch das Herauswachsen aus
dem Stein. Die Figur ist momentan (Dez. 2011)
unbeschriftet. Sie ist ein Auftragswerk des Kunsvereins
Basel, in einer Zeit, wo der Verein nicht so viel Geld
hatte. Name: "Die Maske (IV)". Material:
Granit. Erklärungsversuch
zu dieser Figur: Siehe unten.
Bourdelle gegenüber Probst: Die Früchte in der linken Hand versteckt auf dem
Rücken, der andere Arm nach rechts herausragend, im Gesicht ein
Lächeln, auf einer Seite angelehnt an das pfostenartige Gebilde.
Die Dame mit der Maske: In der linken Hand eine Maske, der andere
Arm bis zum Ellenbogen nach rechts herausragend, im Gesicht ein
Lächeln, auf einer Seite angelehnt an den Stein.
Jakob Probst: Figur "die Maske (IV)". Die kniende Dame mit der
Maske ist am Kopf und an den Beinen, an den Füssen, im Stein
eingeklemmt und festgehalten. In
eckigem Stein, der an die Gestik des Schraubstocks erinnert. Eingeklemmt
am Kopf, so also im Geiste und fest gehalten an den knienden
Beinen, dadurch an der wirtschaftlichen Basis,
am Willen gefangen - und
dennoch lächelnd - um mit dieser Situation erzwungenermaßen
zurechtzukommen? Und vor wem kniet sie? Vor der Öffentlichkeit,
welcher sie das Spiel mit der Maske vorführen muss? Sie greift sich mit der rechten Hand an die
Schulter, an den Hals - ein Versuch ihren Geist zu befreien?
Betrachtet man jedoch die Skulptur von hinten, so entdeckt man
eine Maske samt Haaren am Rücken auf Schulterhöhe - vermutlich
gehalten von der Hand. Und auf dem rechtwinklig eckigen Stein, welcher den Kopf
mit seinem Lächeln klemmt, erscheint eine schwach noch sichtbare
böse anmutende Fratze. Ecken des Quadrats als Symbol des
Materiellen? Und daher die seelenlose Fratze? Körper und Arme (Ellenbogen) zeigen eine Kreuzform, im Zentrum
die Maske vor dem Herzen. Geometrie - sakrale Geometrie -
gekreuzigt? Die rechte
Brust liegt frei. Die Maske in der linken Hand bedeckt das
unter der linken Brust liegende Herz. Decken also: Damit schützen wie
auch verbergen. Sie deckt damit auch dasjenige zu, was
das Herz sagen möchte, was das Herz wollen will. Sie deckt es mit einer Maske
zu, welche ihrerseits den ihr eigenen Gesichtsausdruck nicht frei gibt,
da sie durch eine kleinere Maske ebenfalls verdeckt ist, welche für die Öffentlichkeit
lächelt. Zur Zeit der Entstehung hier passende Gesellschaftskritik in
Reinkultur? Man durfte das Herz nicht zeigen! Man darf nicht
einmal die Maske zeigen, durch welche diese das Herz verborgen
hält. Eine zweite Maske, möglich auch eine Emission der ersten,
verkannten,
in der Art eines sinnenden, in sich hinein schauenden
Sonnengesichts mit geschlossenen Augen und seitlichen Strahlen, muss die darunter liegende erste Maske
maskieren. Das ist zuviel der Masken für eine Fasnachtsstadt wie
Basel, den Karneval, wo man jeweils nur eine Maske trägt: Vor dem
Gesicht trägt man sie, nicht vor dem Herz. Man hat hier daher
kaum eine
Fasnachtsskulptur vor sich, obwohl der gewöhnliche Betrachter
natürlicherweise in dieser Stadt zuerst an die Fasnacht denken
mag. So wird das Problem einer ins Sklerotische verkommenen Kaste
gezeigt, welche sich Elite nennen möchte und die breiten Massen
via den Fressnapf an der Leine hält. Wirtschaftlich kann sie
das, da sie das Wirtschaftliche nach den vorhandenen Gesetzen
ererben kann. Geistig kann sie es nicht, denn das Geistige muss
sich jeder Mensch durch fleißige, ausdauernde Arbeit erwerben,
schneller oder langsamer je nach Talent. Das Talent aber
"erhält der Mensch von der Natur". Es stammt nicht immer
selbstverständlich von den Ahnen, kann da nicht unbedingt in
jedem Fall ausgemacht werden. Man mag es nicht nach den von
Menschen gemachten Gesetzen ererben. Und auch wenn jemand das Talent
besitzt, so muss sie oder er die Reife seiner Fähigkeiten sich
erst noch
mit großem Aufwand erarbeiten, wohl oder übel. Diese Arbeit ist
nicht durch Geld zu ersetzen oder zu kaufen, denn da wird eigene
Entwicklung wesentlich. Man denke nur an den weisen König
mit seinem dummen Sohn: Weisheit durch Anhäufung von
einschlägiger Erfahrung, Dummheit aus Mangel an solcher.
Hier findet
sich somit eine Aussage über die Zeitsituation von Kopf, Herz und Hand
(oder Fuß), d.h. über Geist, Seele und Körper - oder über
denken, fühlen und wollen. Dabei geht es um die Zeitprobleme
der Gesellschaft wie auch gespiegelt diejenigen der eigenen Familie. Eine
andere, nicht sozialkritische, eher autobiographische
Interpretation könnte ganz anders aussehen als die oben
dargelegte. Die kleine Maske könnte auf Probsts Kindheit
hinweisen, die sein Bild bei den zuhause gebliebenen Verwandten größtenteils
ausfüllt. Die größere Maske müsste dann für seine
Gesellenjahre als Schreiner und Zimmermann oder als
Bauschulabsolvent stehen. Das Gesicht der Figur zeigte die eher
weibliche Realität der Kunst (es ist die Kunst). Von
hinten sieht man in deren Maske hinein, ja durch deren Maske
hindurch die wirkliche Kunst, die man als Stein alleine dann doch
nicht sehen kann. Man könnte aber auch die beiden Masken vorne
als die allegorischen Bilder seines Lehrers Bourdelle und dessen
Lehrers Rodin sehen, als deren Schüler man Probst maskenhaft in
der Öffentlichkeit wahrnimmt. Auf diese Weise kann man sich
weitere Interpretationen basteln, welche aber immer nur
Interpretationen bleiben und so nie mit absoluter Sicherheit die
Realität ganz treffen können. Interessant ist es zu wissen, dass
damals die Maske ein Zeitthema war. Schon an der Landesausstellung
1939 (unter "31. Theater") stand eine Figur mit zwei
Masken. (Unklar ist, ob es sich dabei um eine Probst-Figur
handelt, z.B. die Maske (I) von 1923, (II) von
1926 oder (III) von 1937 in Bronze mit probstischer Arm-
und Beinstellung sowie geöffnetem Mund.) Und auch unsere Maske
(II) hier von 1942 könnte auf das Theater hinweisen. Denn sie
stand ja schon früher hinter dem alten Stadttheater im Garten der
Kunsthalle und steht auch heute immer noch beim neuen Stadttheater...
Ja, schon in der Antike verwendete man beim Theater die
Theatermasken. Auch heute noch müssen die Schauspieler selbst
fast ungeschminkt als Masken von andern Personen auftreten. Das
ist der eigentliche Kern ihres Jobs. Leider
ist die Skulptur an der Gartengrenze sehr unvorteilhaft
aufgestellt, als ob man ihr den Umgehungsraum, welchen sie für eine
umfassende Betrachtung auch auf der hinteren Seite benötigt,
nicht zugestehen wollte. Diese Skulptur bräuchte wohl etwas mehr
Platz inklusive etwas mehr Beachtung, nicht nur als Position in
einer Liste - und dazu etwas mehr
Wohlwollen, denn dies verdient sie mit ihrem Rätsel - trotz, oder
gerade auch wegen der Sozialkritik! Will man dem vor bald 50
Jahren verstorbenen Bildhauer die Würde heute immer noch streitig
manchen, so spät nach 1923, als man ihn noch nicht verstehen
konnte und dies ihm anlastete? Ist er immer noch "zu modern" für die Stadt am
Rheinknie? Oder teilt man hier gar Bourdelles Meinung über seinen
Schüler nicht? |
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